Von Kagita Chūbee, 20. Sōke der Hōzōinryū
Speertypen
Diesmal möchte ich die verschiedenen Arten von Speeren vorstellen.
Suyari:
Dies ist der am häufigsten vorkommende Speertyp. Wie der Name "einfacher Speer" schon sagt, handelt es sich hierbei um einen Speer mit einer geraden Klinge. Da es in alten Zeiten nur diesen Speertyp gab, gab es damals diese Bezeichnung auch nicht. Der Name Suyari bürgerte sich erst in der Sengoku-Zeit1 ein, als andere Speertypen wie Kamayari oder Kagiyari auftauchten.
Kamayari:
Beim "Sichelspeer" gehen von der Hauptklinge eine oder zwei "Sicheln" (Seiten- bzw. Beiklingen) ab. Durch die Beiklingen ist dieser Speertyp dem Suyari gegenüber im Vorteil, denn man mit dieser Klinge unter anderem ziehend schneiden, Angriffe abwehren oder einen gegnerischen Speer rotierend zu Boden schlagen. Hinsichtlich der Form, der Länge oder des Winkels dieser Beiklingen gab es die unterschiedlichsten Entwicklungen. Gegen Ende der Sengoku-Zeit rückte der Kamayari als persönliche Bewaffnung der großen Feldherren ins Rampenlicht. Von Katō Kiyomasas2 Katakamayari, Katagiri Katsumotos3 Techigai-Jūmonjiyari4 oder Mori Nagayoshis5 großem Jūmonjiyari wird noch heute geredet. Zu dieser Zeit entwickelte sich auch der Gebrauch von Kamayaris zu einer Kriegskunst. Anfangs konnte vielleicht nicht die Rede von unabhängigen Stilen gewesen sein, doch in der Momoyama-Zeit6 formierte sich dann Hōzōin Ineis7 Kunst des Gebrauchs des Jūmonjikamayaris zu einer herausragenden eigenständigen Schule, die durch seine fähigen Nachfolger immer weiter verfeinert wurde. Für gewöhnlich sind die Schäfte von Kamayaris kürzer als die von Suyaris. Das liegt zum einen daran, dass Ihre Klingen schwerer sind als die von Suyaris. Der wichtigere Grund ist allerdings, dass es unter Ausnutzung der Sicheln einfacher ist, an seinen Gegner heranzukommen oder Techniken wie Hikitotoshi8 oder Makiotoshi9 auszuüben, wenn der Kamayari etwas kürzer ist.
Jūmonjiyari:
Der "Kreuzspeer" ist eine Unterart des Kamayaris. Die Sicheln auf beiden Seiten seiner Klinge sind gleich lang. Seinen Namen verdankt er dem Umstand, dass seine Klinge eben kreuzförmig ist. Der Speer, den wir in der Hōzōinryū einsetzen, ist ebendieser. Man kann mit ihm nicht nur stechen, sondern ihn vielfältig gebrauchen. So kann man mit ihm beispielsweise einen gegnerischen Speer schneidend heruterschlagen, rotierend herunterschlagen oder mit einer der Sicheln am gegnerischen Speerschaft entlang zur Führhand des Gegners rutschen.
Katakamayari:
Auch beim "einseitigen Sichelspeer" handelt es sich um eine Unterart des Kamayaris. Seine Klinge gleicht der eines Jūmonjiyaris, der eine Beiklinge fehlt10.
Kagiyari:
Beim "Schlüsselspeer" handelt es sich um einen Speer an dessen Schaft eine Parierstange angebracht ist, mit der sich die gegnerische Waffe kontrollieren oder zu Boden schleudern lässt. Seinen Namen verdankt dieser Speertyp dem Umstand, dass die Parierstange meistens L-förmig ist.
Kudayari:
Der "Röhrenspeer" ist ein Suyari, dessen Schaft durch eine locker sitzende Hülse, die etwa eine Handbreit lang ist, geführt wird. Diese Hülse wird mit der linken Hand gegriffen, wohingegen die rechte Hand den Speerschaft fasst und den Speer durch die Hülse nach vorne sticht und nach hinten zieht, was sehr leicht geht, da die Hülse nur wenig Reibungswiderstand bietet. So etwas wie den Kudayari findet man weder in China noch im Westen, weshalb man bei ihm von einer original japanischen Erfindung sprechen kann.
Ōmiyari:
Als "Speer mit großer Klinge" werden Speere bezeichnet, die eine lange Klinge haben. Dabei kann es sich sowohl um Suyaris als auch um Kamayaris handeln11. Normalerweise reicht es, wenn Speerklingen zwischen etwa 12 und 21 cm lang sind, um effektiv mit ihnen stechen zu können. Dennoch gibt es Speere, deren Klingen eine Länge von ein oder zwei Shaku, in seltenen Fällen sogar bis über vier Shaku (ca. 30 - 120 cm) haben. Diese Speere bezeichnet man als Ōmiyari.
Nagaeyari:
"Langschäftige Speere" sind, wie ihr Name schon sagt, Speere, die einen langen Schaft haben. Gemeint sind damit aber keine Speere, die einfach nur lang sind , sondern die extrem langen Speere, mit denen die Infanterie ausgerüstet wurde, um damit in Gruppen zu kämpfen. Zum einen waren diese Speere überdurchschnittlich lang, zum anderen handelete es sich bei ihnen um identische Waffen, die vom Lehnsherren an die Speertruppen ausgegeben wurden und die in der Gruppe auf Befehl koordiniert eingesetzt wurden. Nagaeyaris gab es in Längen von etwa 4,50 m bis 6,40 m. Ihr Einsatz in Kriegszeiten war extrem effektiv. Als mit der Edo-Zeit12 wieder Frieden einkehrte, wurden diese Speere weiterhin als zeremonielle Waffen benutzt. Es muss ein beeindruckender Anblick gewesen sein, wenn lange Reihen solcher Speere vorbeizogen13.
(Zuerst erschienen im Nara-Stadtmagazin Ubusuna am 05.03.2009)