Von Kagita Chūbee, 20. Sōke der Hōzōinryū
Kawaji Toshiakira und das Hōzōinryū Sōjutsu
Kawaji Toshiakira (1801 - 1868) war eine herausragende Perönlichkeit der späten Edo-Zeit. Er bekleidete verschiedene wichtige Positionen innerhalb der Shōgunats-Regierung und ist unter anderem dafür bekannt, dass er den Vertrag von Shimoda1 unterzeichnete und ausdrücklich die Ansicht vertrat, dass die vier südlichen Kurilen-Inseln japanisches Territorium seien.
Ab 1846 bekleidete dieser Kawaji Toshiakira für fünf Jahre das Amt des Stadtmagistrats von Nara. In dieser Zeit regierte er weise, indem er beispielsweise Maßnahmen zu Unterstützung der Armen durchsetzte oder, besonders um die Tempel Tōdaiji und Kōfukuji herum, großzügige Baumpflanzungen anlegen ließ und damit die Grundlage für den heutigen Nara-Park schuf. Für all dies ist ihm die Bevölkerung von Nara noch heute dankbar.
Kawaji ToshiakiraKawaji Toshiakira hinterließ sein Tagebuch "Neifukiji“2, das er in seiner Zeit als Stadtmagistrat von Nara geführt hatte. Dort erfahren wir, dass er selbst Hōzōinryū Sōjutsu studierte und seinen Sohn Ichizaburō in den Hōzōin, der ein Untertempel des Kōfukuji war, eintreten ließ. Dass er den Hōzōin besuchte, um dem Training beizuwohnen, und dass er häufig Gespräche mit dessen Abt führte. Verblüffend ist außerdem, dass er sein persönliches körperliches Training so ernst nahm, dass er jeden Tag früh aufstand, um unter anderem mit einem 3,7 kg schweren Schwert 2.000 Übungsschläge zu machen, dann mit einem 3 kg schweren Übungsspeer die Grundübung Shigoki3 4.000 Mal zu wiederholen, bevor er in einer 11 kg schweren Rüstung 13 km zu Fuß ging. Darauf folgte die Lektüre von Werken wie dem Zizhi Tongjian4 oder den vier konfuzianischen Klassikern5, bevor er seinen Dienst antrat.
Durch sein frühmorgendliches, von anderen unbemerktes Training und seine Lektüre kultivierte Kawaji Toshiakira Geist und Körper. Dies war aber nicht nur seine Art, sich gesund zu halten, sondern entsprang seiner Geisteshaltung, immer darauf vorbereitet zu sein, seinem Land dienen zu können. In seinem Tagebuch findet sich der Satz: "Wer in einer etwa 11,3 kg schweren Rüstung, bewaffnet mit einem Langschwert mit einer 69,7 cm langen Klinge und einem Kurzschwert mit einer 39,4 cm langen Klinge nicht 11,8 km laufen und 19,6 km reiten kann, taugt als Krieger nichts."
Im Folgenden möchte ich eine Auswahl von Zitaten aus dem "Neifukiji" anführen, die Budō- und Sōjutsu-Bezug haben.
1846
11ter Tag des 1. Monats: Ich bin zum Stadtmagistrat von Nara ernannt worden.
12ter Tag des 9. Monats: Ich habe die Zahl meiner Übungen mit dem Speer erhöht. Ich brauche mein Training hier genauso wie in Edo.
11ter Tag des 10. Monats: Auch heute habe ich das Schwert geschwungen und mit dem Speer geübt wie immer.
14ter Tag des 10. Monats: Bin um sechs Uhr aufgestanden und habe das Schwert geschwungen und mit dem Speer geübt wie immer.
1847
14ter Tag des 5. Monats: Ich mache jeden Morgen 1.500 Shigoki und schwinge das Schwert 500 Mal, dennoch habe ich das Gefühl, ich bewege mich zu wenig.
19ter Tag des 8. Monats: Ich mache jeden Morgen 3.000 Shigoki und 1.000 Schwünge mit dem Schwert.
29ter Tag des 8. Monats: Habe 3.000 Shigoki mit dem Speer gemacht, bin geritten, habe das Schwert geschwungen und Ichizaburō im Schwertkampf unterwiesen.
1848
25ter Tag des 1. Monats: Gestern habe ich Ichizaburō in den Hōzōin gegeben, damit er dort Sōjutsu lernt … Weil gestern sein erstes Training war, wurde Dachshundsuppe serviert, wie es die alte Form gebietet. Früher wurde diese Suppe tatsächlich mit Dachshund gemacht, doch heute macht man sie mit einem Gelee aus Konjakwurzel, da am Übungsort kein Fleisch gegessen wird …
2ter Tag des 5. Monats: Ich habe (Ichizaburō) ein Gedicht geschrieben, das ihn anspornen soll, sich beim Training von Schwert und Speer anzustrengen.
1849
4ter Tag des 4. Monats: Habe Ichizaburō gescholten, als ich hörte, dass er sich mit einem der Meister geprügelt hat.
15ter Tag des 5. Monats: (Hōzōin) Inkai ist zu Besuch gekommen, und wir haben uns angenehm über Sōjutsu unterhalten.
22ter Tag des 5. Monats: Der Hōzōin liegt auf dem Gelände des Kōfukuji, aber außerhalb der Tempelmauern … Die Übungshalle ist natürlich ziegelgedeckt. Sie ist so prächtig, dass einem die Augen übergehen. Die Wandpaneele (?) sind 5,46 m mal 12,74 m groß, die Pfeiler 18,2 cm im Quadrat stark, der Boden ist aus japanischer Zypresse und ohne sichtbare Nägel fugenfrei gefügt. Das ganze gleicht ganz und gar einer Nō-Bühne. Und selbst wenn man (alle) Speere wie ein Bambusrollo an eine Wand der Übungshalle hängte, blieben noch 60,6 cm Platz nach oben, so beeindruckend ist ihre Höhe …
22ter Tag des 10. Monats: Habe mir in der Übungshalle des Hōzōin eine Vorführung angesehen.
Sein Tagebuch zeigt uns, wie hart Kawaji zu sich selbst und wie freundlich er anderen gegenüber war. Es legt mir stark den Gedanken nahe, dass wir uns auch hinsichtlich unseres eigenen Trainings ein Beispiel am Geist und dem Training unserer Vorgänger nehmen sollten. Außerdem erfahren wir dank seines Tagebuchs nicht nur, dass es bis in die späte Edo-Zeit noch einen Abt im Hōzōin innerhalb des Kōfukuji gab, und dort noch Sōjutsu gelehrt wurde, sondern auch, dass die Trainigshalle ein prächtiger Bau war.
(Zuerst erschienen im Nara-Stadtmagazin Ubusuna am 05.11.2009)